Angeregte Diskussion in Friedrichstadt - »100 Jahre Frauenwahlrecht«

Erste Berufspolitikerinnen noch als „Männin“ tituliert

Großes Interesse fand die Veranstaltung, zu der Gleichstellungsbeauftragte Kirsten Schöttler-Martin und Stadtarchivarin Christiane Thomsen zum spannenden historischen Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ ins Rathaus von Friedrichstadt eingeladen hatten. Es sei eine „Bewegung der Unverheirateten“ gewesen, die vor gut einem Jahrhundert das Frauenwahlrecht durchgeboxt hätte, so Hauptreferentin Prof. Angelika Schaser von der Universität Hamburg, denn die Frauen hätten von Beginn an mit Familie und Berufs-tätigkeit eine enorme Doppelbelastung zu tragen gehabt, die nur schwerlich Raum und Energie, sei es physischer oder psychischer Natur, für die Politik ließ.

So seien die ersten Berufspolitikerinnen noch als „Männin“ bezeichnet worden, so die Referentin, die in Hamburg an der historischen Fakultät lehrt und forscht. Nur oder immerhin 37 der insgesamt 423 Abgeordneten der Weimarer Nationalversammlung waren 1919 Frauen, „an die sicherlich überzogene Hoffnungen gestellt wurden“, so Prof. Schaser. Immerhin hatten die männlichen Kollegen gegenüber den weiblichen Neulingen lang-jährige Erfahrungen und Netzwerke. Erst von 1924 an gab es eigene Frauenlisten, in den deutschen Landesparlamenten wurden die Politikerinnen noch lange marginalisiert, ihre Erfolge den Männern zugeschrieben.

Der lange Kampf der Frauen seit 1848

Eingangs macht die Historikerin klar, dass Frauen bereits seit der französischen Revolution für das Frauenwahlrecht mit sehr viel Einsatz und Mut gekämpft hatten. Die deutschen Frauen orientierten sich an den kämpferischen Suffragetten in England, aber auch an den Mitstreiterinnen in Frankreich oder in den USA, wo es mehr Industrialisierung und damit auch eine organisierte Arbeiterbewegung und sozialistisches Gedankengut gab. Doch für die letztendliche Einführung des Frauenwahlrechts wurde Deutschland zur Avantgarde.

„Im Ersten Weltkrieg arbeiteten die Frauen politisch auf kommunaler Ebene zusammen, doch danach zerfiel diese Bewegung wieder in die einzelnen politischen Gesinnungen, seien es die sozialistische, die konservative oder die liberale –  und die Politikerinnen wurden zuallererst immer noch als Frauen bewertet“, so Angelika Schaser.

Die Frauen erfuhren die Wirkmächtigkeit der alten Traditionen am eigenen Leibe, der Einstieg in die Politik wurde ihnen auf keiner Ebene leicht gemacht; die Familien bezogenen und sozialen Themen wurden ihnen zugeschoben. „Und auch die berufstätigen beamteten Frauen litten unter einer Minderbewertung“, wusste Prof. Schaser. Nur 18 Frauen gab es nach dem 1. Weltkrieg in der Reichsverwaltung, sie wurden nur ungern eingestellt.

 

Gremien auch heute oft noch Männer dominiert

Gleichstellungsbeauftragte Kirsten Schöttler-Martin hatte in ihrer Begrüßung darauf hingewiesen, dass viele politische und gesellschaftliche Gremien auch heute noch oftmals Männer dominiert sind und die Frauen die Parität bei den Sitzen immer noch deutlich einfordern müssen.

Und auch Friedrichstadts Bürgermeisterin, Christiane Möller-von Lübcke, nach Regine Balzer (2008-2013) die zweite Frau an der Spitze der Stadt, hieß die rund 25 Gäste herzlich im Ratssaal willkommen, in dem nach den Vorträgen auch noch sehr lebhaft weiter über die Vergangenheit und Gegenwart der Gleichberechtigung der Frauen diskutiert wurde.

Stadtarchivarin Christiane Thomsen hatte für diese Veranstaltung eigens die Friedrichstädter Archive durchforstet und resümierte, dass sie nicht lange brauche, um die früher in der Kommunalpolitik der Stadt aktiven Frauen aufzuzählen. In Zeiten der Weimarer Republik war Margarethe Löpchens (1919-1924) die einzige Stadtverordnete.

Nach dem 2. Weltkrieg war mit Johanna Stobbe die erste Abgeordnete ab 1946 für die SPD aktiv, ihre Nachfolgerin war 1948 Lisbeth Lafrenz. Sie kümmerten sich vorrangig um die Themen Schule, Wohlfahrt, Museum, aber auch Kämmerei. Anna Jans war dann 1951-55 eine der 15 Stadtverordneten in der Holländerstadt, der bis heute viele engagierte Kommunalpolitikerinnen aller Parteien auch als bürgerliche Mitglieder in den Ausschüssen folgten.